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SLM vs. gegossene Modellgussprothesen - eine Einschätzung!

SLM vs. gegossene Modellgussprothesen - eine Einschätzung!

Die Aufgabe von Zahnersatz besteht in der Herstellung einer langfristig stabilen Situation im Zahn-, Mund- und Kiefersystem, um einen Einbruch der Okklusion, beispielsweise durch das Kippen der lückenbegrenzten Zähne und eine damit verbundene Elongationen von Antagonisten zu verhindern. Dabei sollen die Kaukräfte durch den Zahnersatz möglichst gleichmäßig auf die Restzahnsubstanz und die unbezahnten Areale verteilt werden. Halteelemente müssen daher sowohl Stütz-, Kraftverteilungs-, Führungs-, Schubverteilungs- und Kippmeiderfunktion haben.

Die Befestigung von Zahnersatz mit Hilfe von Klammern zählt dabei zu den ältesten Formen von Verankerungselementen. Klammerverankerte Prothesen, umgangssprachlich auch als Modellgussprothesen bezeichnet, sind die einfachste Form des Zahnersatzes und weisen eine große Variationsbreite auf. Seit mehr als 100 Jahren sind klammerverankerte Prothesen somit eine probate Möglichkeit, um herausnehmbaren Zahnersatz gegen abziehende Kräfte, beispielsweise beim Sprechen oder Kauen, auf dem Kiefer stabil zu halten und die Kaufkräfte möglichst gleichmäßig auf Restzähne und Weichgewebe zu verteilen. Aufgrund der hervorragenden Materialeigenschaften des Gussverfahrens mit einem hohen Elastizitätsmodul gilt diese Form der klammerverankerten Prothese bis heute weitestgehend als Standardmaterial für die Versorgung mit Gussprothesen.

Mit der Einführung von digitalen Verfahren zur Herstellung von Zahnersatz, wie z.B. moderne CAD/CAM und Additive Fertigungstechniken, bietet sich jetzt die Möglichkeit, Modellgussprothesen digital zu planen und anschließend subtraktiv mittels CNC-Fräsmaschinen oder additiv mittels 3D-Druckanlagen zu fertigen. Dabei können im Bereich des 3D-Druck indirekte (sog. CAD/CAST) und direkte (sog. Lasersintern/-schmelzen) Methoden differenziert werden.

Verschiedene Publikationen sehen hier insbesondere in der digitalen Fertigung mittels Lasersinter-Verfahren Vorteile in der Standardisierung, der verringerten Produktionszeit und dem einfachen Transfer von digitalen Daten. Derzeit wird die Wirtschaftlichkeit allerdings noch kritisch beurteilt. Somit bedarf eine endgültige Empfehlung dieser Fertigungsweise weiterer wissenschaftlicher Studien. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Verankerungs-elemente (Klammern) gelegt, da diese aufgrund ihrer Halte- und Stützfunktion hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind.

Die Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Ludwig-Maximilians-Universität München versucht mit ihrer aktuellen Studie „In-vitro-Untersuchung der mechanischen Qualität von gegossenen und lasergesinterten Klammern für Modellguss-prothesen“[1] genau diese Themen näher zu evaluieren.

Zielstellung der Studie

Das Ziel der Studie war es, die Klammerabzugskräfte von gegossenen und lasergesinterten Klammern bei gleichem Klammerdesign initial und im Laufe der künstlichen Alterung zu ermitteln und zu vergleichen. Weiteres Ziel der Studie war eine dreidimensionale quantitative Fehlstellenanalyse der Gefügestrukturen der einzelnen Klammern sowie eine Überlebenszeitanalyse für die lasergesinterten und die gegossenen Klammern durchzuführen.

Dabei wurden verschiedene Hypothesen getestet. Aus Gründen der Übersichtlichkeit an dieser Stelle lediglich zwei der getesteten Hypothesen betrachtet werden:

  1. Die Klammerabzugskräfte der lasergesinterten Klammern zeigen initial keinen Unterschied untereinander sowie zu den gegossenen Klammern

  2. Lasergesinterte Klammern und gegossene Klammern. zeigen keinen Unterschied hinsichtlich ihrer Überlebensraten

Vorgehensweise

Zur Herstellung der gegossenen Klammern wurden CAD-Konstruktionsdatensätze aus einem STL-Datensatz additiv mit einem 3D-Drucker aus rückstandlos verbrennbaren Polymer-Material erstellt und anschließend mittels Gusstechnik umgesetzt. Für die Herstellung der lasergesinterten Klammern wurden STL-Datensätze durch die EOS GmbH (Krailling) mittels Lasersinterverfahren direkt additiv in einer CoCr-Legierung gefertigt.

Auswertung der Ergebnisse

Fehlstellenanalyse

Das durchschnittliche Lunkervolumen/Klammer der lasergesinterten Prothesen konnte gegenüber dem durchschnittlichen Lunkervolumen/Klammer der Gussklammern als signifikant kleiner beziffert werden. Dies gilt ebenfalls für das „Gesamte Lunkervolumen/Klammer“.

Die Häufigkeitsverteilung der Lunkervolumina zeigte allerdings, dass die Verteilung der Volumengrößen bei lasergesinterten Klammern im Vergleich zu gegossenen Klammern homogener war. Noch deutlicher zeigte sich der Unterschied der Gefügequalität beim Gesamtlunker­volumen/Klammer. Zwar weisen lasergesinterte Modellgussklammern mehr Lunker auf als gegossene, allerdings sind diese deutlich kleiner und weisen ein um den Faktor 12,5 geringeres Gesamtlunkervolumen/Klammer auf.

 

 Vergleich 1

Abb. 1: Vergleich des durchschnittlichen Lunkervolumen/Klammer von lasergesinterten Klammern gegenüber Gussklammer im Box-Plot-Diagramm

 

Ermittlung der Überlebensrate

Nach Abschluss einer 10 Jahres-Simulation und entsprechender Messung der Abzugskräfte erfolgte eine Überlebenszeitanalyse, bei der für alle Vergleichsgruppen eine Tragedauer von 60 Jahren (65.700 Zyklen) nach einem definierten Protokoll simuliert wurden. Nach jeweils 2.500 Zyklen wurde die Alterung unterbrochen und die Anzahl der Klammerausfälle/ Klammerbrüche registriert.

Hinsichtlich der Überlebenszeitanalyse zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen lasergesinterten und gegossenen Klammern. Die Überlebenswahrscheinlichkeit der lasergesinterten Klammern war hierbei am höchsten, während die geringste Überlebenswahrscheinlichkeit bei der Gruppe GUSS erkannt wurde. In Summe lag die Überlebenswahrscheinlichkeit der lasergesinterten Klammern mit 93,8% doppelt so hoch als die Überlebenswahrscheinlichkeit der gegossenen Klammern (43,8%). Somit wurde die oben unter 2. genannte Nullhypothese klar widerlegt.

 

Vergleich 2

Abb. 2: Überlebensfunktion von Gruppe GUSS und der zusammengefassten lasergesinterten Gruppen

Eine Ursache dafür scheint laut Aussage der Studie der zuvor beschriebene Unterschied in der Gefügequalität zwischen gegossenen und lasergesinterten Klammern zu sein. Dies könnte sich negativ auf die Überlebensrate der gegossenen Klammern auswirken.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die lasergesinterten Klammern in allen untersuchten Bereichen bessere Ergebnisse lieferten als die gegossenen Klammern. Dies deckt sich ebenfalls mit aktuellen Studien anderer Forschungsgruppen [2].

INFINIDENT Solutions besitzt über zehn Jahre Erfahrung im Bereich der Lasersinter-technologie und gehört zu den Pionieren auf dem Gebiet der additiven Herstellung von Zahnersatz. Bereits seit mehr als drei Jahren ist der Modellguss (INDIVIDUAL PF) fester Bestandteil des Leistungsportfolios. Nach Übermittlung des Designs und dem internen Datencheck kann das Labor laut Anbieter mit einer Rücksendung des fertigen, zur finalen Ausarbeitung aufbereiteten Werksstücks innerhalb von nur drei Werktagen rechnen. Die Finalisierung der Prothese erfolgt im Labor.

 Modellguss

 Abb. 3: Modellgussprothesen auf Bauplatte
 

Die Publikation der Studie: „In-vitro-Untersuchung der mechanischen Qualität von gegossenen und lasergesinterten Klammern für Modellgussprothesen“, Schweiger J, Erdelt K, Güth JF (Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Ludwig-Maximilians-Universität München) erfolgt voraussichtlich im Frühjahr 2019.

 
[1] Schweiger J., Erdelt, K., Güth, JF: In-vitro-Untersuchung der mechanischen Qualität von gegossenen und lasergesinterten Klammern für Modellgussprothesen, Arbeitsbericht, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2018
[2] Alageel O, Abdallah MN, Alsheghri A, Song J, Caron E, Tamini F:Removable partial denture alloys processed by laser sintering technique. J Biomed Mater Res B Appl Biomater 2018; 106(3):1174-1185